Yoga - Achtsamkeit nicht nur in Bewegung

Für nicht wenige Menschen in der westlichen Welt ist Yoga vorrangig Gymnastik mit abschließender Tiefenentspannung. Mit den Wurzeln von Yoga hat das allerdings wenig zu tun. Im Ursprung ist Yoga das zur Ruhe bringen des Geistes im Körper. Erst wenn sich Geist und Körper am gleichen Ort in Raum und Zeit befinden, wird Yoga erlebbar. Genau wie bei der Meditation geht es darum, tiefer gegenwärtig zu sein, das Leben ganzheitlich und unmittelbar zu erfahren statt über das Leben nachzudenken, es zu analysieren und damit eine Distanz zur Erfahrung aufzubauen.

Hatha-Yoga - der Yoga der Bewegung - ist der im MBSR integrierte Übungsweg des Yoga. Wenn sich der Körper in unterschiedliche Positionen bringt, dient das dem Training von Achtsamkeit in unterschiedlichen Spannungszuständen. Das hat zwei wichtige Unterstützungsmomente.

Zum einen fällt es manchen Menschen leichter gegenwärtig zu sein und sich vom Strom des Denkens zu lösen, wenn im Körper "etwas passiert". Natürlich passiert im Körper immer etwas. Empfindungen wie Wärme und Kribbeln, Schmerz, Berührung, Schlucken, Atmen - all das und vieles mehr findet statt. Doch der eingeübte Verlust von Selbstwahrnehmung bzw. die Gewohnheit im Strom des Denkens zu schwimmen, hat bei vielen Menschen dazu geführt, dass sie den Körper nur noch wirklich wahrnehmen, wenn seine Empfindungen oberhalb der gewöhnlichen Sinneseindrücke liegen. Durch den Spannungsaufbau und das anschließende Nachspüren beim Yoga, finden manche Menschen leichter Zugang ins Hier und Jetzt ihrer unmittelbaren Erfahrung - jenseits konzeptuellen Denkens, also des Nachdenkens und inneren Beschreibens der Erfahrung.

Zum anderen ist es wichtig, sich auch außerhalb von stillem Verweilen, achtsam bei alltäglichen Handlungen erfahren zu können. Das kann im Hatha-Yoga sinnvoll geübt werden. Ständig bewegt sich der Körper in unterschiedliche Postionen, die unterschiedliche Grade von Anspannung und Entspannung mit sich bringen. Körpergrenzen werden wahrnehmbar und auch die Aktivität des Denkens kann an spezifischen Erfahrungspunkten gut beobachtet werden. Da es insbesondere bei Stressbelastungen immer auch um die Frage geht: "Was passiert gerade?" kann das im MBSR praktizierte Yoga hilfreich sein. Es gilt, die eigenen Grenzen wahrzunehmen und herauszufinden, wie es möglich ist, gut für sich selbst zu sorgen.

Für den im MBSR Kurs praktizierten Yoga werden leichte Übungen genutzt, um Achtsamkeit von Moment zu Moment zu trainieren. Da das MBSR Programm ursprünglich für chronische Schmerzpatienten entwickelt wurde, liegt der Fokus nicht auf Akrobatik oder Fitness sondern darauf, Bewegung und Anspannung wach und bewußt von Innen heraus tiefer zu erleben.

Grundlegend ist das Verständnis, dass es im Yoga nicht vordergründig um die durch Yoga entstehenden Fitnesseffekte geht. Vielmehr fokussiert das Training auf die Lenkung des Geistes in den Körper. Yoga ist also vielmehr ein Geistestraining als Sport mit Entspannung.

• Sukadev V. Bretz: "Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von heute"
• Gopi Krishna, Richard von Weizäcker: "Yoga und die Evolution des Bewusstseins: Die wissenschaftliche Grundlage der spirituellen Erfahrung"
• Gopi Krishna: "Die verborgene Kammer des Bewußtseins"